Volksbefragung in Wien: 24 Stunden U-Bahn

Vom 10. – 12. Februar 2009 findet in Wien eine Volksbefragung mit 5 Fragen statt. Frage 4 lautet:

Wien will's wissenIn Wien fahren täglich Nachtbusse von 0.30 bis 5.00 Uhr. Ein 24-Stunden-U-Bahn-Betrieb am Wochenende (Freitag und Samstag) kostet pro Jahr 5 Millionen Euro und bewirkt veränderte Fahrtrouten der Nachtbusse am Wochenende. Sind Sie dafür, dass die U-Bahn am Wochenende auch in der Nacht fährt?

Fangen wir diesmal bei den Kosten an: 5 Millionen Euro klingen für den einzelnen nach viel, sind aber im Grunde ein läppischer Betrag. Abgesehen davon hat ein Direktor der Wiener Linien Ende September von lediglich 2,5 Millionen gesprochen. Christoph Chorherr brachte es im Oktober in seinem Blog auf den Punkt: Alleine die Verbreiterung des Gürtels im Bereich der A23-Abfahrt um eine Fahrspur (mit mehr als fraglichen Auswirkungen auf den Verkehr in der Stadt) kostet 110 Millionen Euro. Wenn man Zinsen und Inflation berücksichtigt, bedeutet das, dass man von den Kosten für die fragwürdige Verbreiterung des Gürtels über eine Distanz von ein paar hundert Metern, die U-Bahn ein Vierteljahrhundert in der Nacht fahren lassen könnte und so nebenbei dadurch auch etliche Arbeitsplätze entstehen könnten. Man bedenke dazu auch, dass Straßenbauten angesichts der Tatsache, dass wir in spätestens 20 Jahren (wahrscheinlich schon viel früher) kein Erdöl mehr zum Verfeuern in Explosionsmotoren mehr haben, ohnehin eine fragwürdige Angelegenheit.

Lassen wir also die Kosten beiseite, die pro Wiener nicht einmal einen Cent pro Tag ausmachen. Tatsache ist, dass mittlerweile sehr viele Wiener in der Nacht unterwegs sind und dabei auf das Auto verzichten wollen, was ja an sich sehr löblich ist. Dies erhöht nebenbei auch die Sicherheit. Gegenden, wo viele Passanten unterwegs sind, werden von Kriminellen tendenziell gemieden (wenn man von einigen Spezialisten absieht).

Das derzeitige Netz der Nachtbusse ist bequem, weil man viele Destinationen ohne Umsteigen erreichen kann. Leider sind die Streckenverläufe gerade Gelegenheitsnutzern meist nicht bekannt. Deshalb wird das Angebot nicht in dem Maße genutzt, wie es nötig wäre. Die Streckenverläufe der U-Bahnen sind hingegen fast jedem Wiener bekannt.

Ich habe mir im Detail angesehen, was sich durch einen Nachtbetrieb der U-Bahnen ändern würde. Viele Nutzer der Öffis müssten, um nach Hause zu kommen, einmal zusätzlich umsteigen. Dies ist jedoch kein Nachteil, da bei einer guten Koordinierung der Fahrpläne der U-Bahnen mit den Anschlussbussen sich die Fahrzeit nirgends verlängern, in den meisten Fällen sogar beinahe halbieren würde.

Deshalb meine Antwort: Ja, ich bin für den Nachtbetrieb der U-Bahn.

Für die Interessierten, hier die möglichen Auswirkungen im Detail:

U1

Die Linie N25 würde durch den Nachtbetrieb vermutlich nicht mehr vom Ring weg, sondern nur mehr von Kagran verkehren. Der restliche Streckenverlauf ist nämlich weitgehend ident mit der U1. Der Betrieb der U1 würde die Fahrzeit um sage und schreibe 26 Minuten verkürzen! Am südlichen Zweig würde die U1 die Linien N66 und N67 ersetzen bzw. verkürzen. Hier würde jedoch keine nennenswerte Fahrzeitverkürzung entstehen.

U2

Ein Großteil des heutigen Verlaufs der U2 wird in der Nacht von der Linie N29 abgedeckt. Zwischen Schottenring und Stadion würde hier keine nennenswerte Fahrzeitverkürzung entstehen. Anders sieht jedoch die Situation nach der U2-Verlängerung im Herbst aus. Vom Ring bis zum SMZ Ost käme es durch die U-Bahn zu einer Fahrzeitverkürzung von gut 20 Minuten gegenüber der jetzigen Linie N26, die wahrscheinlich trotzdem in Betrieb bleiben würde. Dies entspricht nahezu einer Halbierung der Fahrzeit!

U3

Der Verlauf der U3 wird derzeit im Osten von der Linie N75 abgedeckt. Bis zum Gasometer kommt es durch die U-Bahn zu einer Fahrzeitverkürzung von mindestens 9 Minuten. Zur Simmeringer Hauptstraße führt derzeit in der Nacht die Linie N71. Hier würde es durch den U3-Betrieb wahrscheinlich zu keiner nennenswerten Fahrzeitverkürzung kommen. Das westliche Ende der U3 wird derzeit von der LInie N49 bedient, die übrigens auch den Bahnhof Hütteldorf und damit teilweise die Funktion der U4 übernimmt. Zwischen Museumsquartier und Bujattigasse würde es durch den U-Bahn-Betrieb zur einer Fahrzeitverkürzung von rund 15 Minuten kommen.

U4

Die Linien N58 und N60 verkehren derzeit im Verlauf der U4 zwischen Ring und Hietzing. Der Betrieb der U4 würde hier eine annähernd identische Fahrzeit bewirken. Anders sieht es im nördlichen Zweig der U4 aus. Dieser wird derzeit von keinem Nachtautobus ordentlich bedient. Eine halbwegs vergleichbare Strecke fährt die Linie N36, die aber wahrscheinlich in Betrieb bleiben würde. Zwischen Schottenring und Heiligenstadt würde der Betrieb der U4 eine Verkürzung der Fahrzeit um 20 Minuten bringen!

U6

Der nördliche Ast der U6 wird derzeit teils von der Linie N6, teils von der Linie N29 bedient. Im Verlauf der Linie N6 würde es zwischen Westbahnhof und Spittelau zu keiner nennenswerten Änderung in der Fahrzeit kommen. Zwischen Spittelau und Handelskai würde der N6 wahrscheinlich in Betrieb bleiben, weil der Streckenverlauf ein anderer ist. Bis Handelskai fährt die U6 um 9 Minuten schneller als der N6. Nach Floridsdorf fährt derzeit die Linie N29. Diese würde wahrscheinlich zumindest zwischen Tabor und Floridsdorf in Betrieb bleiben. Vom Schwedenplatz nach Floridsdorf benötigt der N29 derzeit 29 Minuten. Mit U4 und U6 würde sich die Fahrzeit um 18 Minuten auf 11 Minuten verkürzen.

An de Beispielen sieht man, dass ein Nachtbetrieb der U-Bahn für die meisten Destinationen teilweise dramatische Fahrzeitverkürzungen zur Folge hätte. In keinem Fall wäre ein derartiger Betrieb für die Betroffenen von Nachteil. Eine Frage bleibt: Warum soll die U-Bahn eigentlich nur am Wochenende 24 Stunden fahren?