Google Maps ist nicht nur eine Website mit Kartenmaterial von einem Großteil der Welt. Es gibt auch für fast alle führenden SmartPhone-Plattformen eine Google Maps-Anwendung. Besonders praktisch ist, dass Google Maps auch Routen berechnen kann. Dies funktioniert für Autofahrer und Fußgänger sehr gut. Bis Dezember 2009 konnte man über Google Maps auch die Fahrpläne eines Großteils der öffentlichen Verkehrsmittel in ganz Österreich abfragen. Die Daten wurden bis dahin von den ÖBB geliefert. Seit Dezember 2009 funktioniert das nicht mehr.
Viele verärgerte Benutzer beschweren sich seither laufend über diese Einschränkungen, die nicht gerade eine Werbung für öffentliche Verkehrsmittel darstellt. Die Beschwerdeflut gipfelte heute in einem dringlichen Antrag vom grünen Gemeinderat Marco Schreuder, der die Lieferung der Daten zumindest der Wiener Linien an Google forderte. Der Antrag fand die Zustimmung von FPÖ, Grünen und ÖVP, aber nicht der SPÖ und fand so keine Mehrheit.
Ich habe die kurze Debatte über diesen Antrag live verfolgt. Zwei Argumente sind mir in der Debatte aufgefallen. Zunächst einmal wurde argumentiert, dass es ja z. B. den Dienst www.anachb.at gäbe. Ich habe selbst in diesem Frühjahr an einem Feldtest dieser Anwendung teilgenommen. Tatsache ist, dass dieser Dienst zwar ganz gut gemacht ist und auch gute Routing-Resultate liefert (jedenfalls bessere als die Fahrplanabfrage der Wiener Linien), aber auf dem SmartPhone völlig unbrauchbar ist.
Beim zweiten Argument gegen die Einbindung der Daten in Google Maps wurde ich allerdings hellhörig. Der Redner der SPÖ argumentierte, dass die Daten ja ohnehin zur Verfügung stünden, dass aber Google diese angeblich in einem speziellen Format bräuchte. Dies würde Kosten auf Seiten der Wiener Linien verursachen, für die es nun einmal keine ausreichende Rechtfertigung gäbe. Diese Argumentation wird auch von einem E-Mail unterstützt, das ich auf meine Beschwerde in der gleichen Sache hin von den Wiener Linien bereits am 15.03.2010 erhalten habe:
Sehr geehrter Herr Korecky!
Die Mobilapplikation von GoogleMaps werden nicht von den Wiener Linien betreut und wir haben leider auch keinen Einfluss auf die Funktionalität dieses Angebotes. Laut „Google“ wird unser Service bald wieder für Sie verfügbar sein.
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Information helfen konnten.
Mit freundlichen Grüßen
Wiener Linien GmbH & Co KG
Kundendienst
Auffällig ist jedenfalls, dass sich ÖBB, Google und Wiener Linien in der Causa die heiße Kartoffel ständig gegenseitig zuschieben ohne die wahren Gründe zu nennen, warum der Dienst nicht zur Verfügung steht. Jedenfalls ist es ein Faktum, dass es sehr wohl Anwendungen von Fremdherstellern gibt, die auf die Fahrplandaten zugreifen und diese in eigenen Apps verwenden. Zum Beispiel gibt es im Android-Market die App FahrplanAT, die ich seit Monaten gerne verwende. Der freie Entwickler Georg Kaindl bietet mit ViennaNav ein alternatives und für SmartPhones optimiertes Web-Interface für die Fahrplanabfrage an. Beide Anwendungen wurden von den Wiener Linien nicht juristisch bekämpft. Das Beispiel des Nokia N900-Entwicklers, das Macro Schreuder heute gebracht hat, den die Wiener Linien genötigt hatten, seine Anwendung wieder zu entfernen, dürfte wohl eher auf die unglückliche Namenswahl seiner Anwendung zurückzuführen gewesen sein. Er nannte sie OpenQando. Qando ist aber die offizielle Anwendung der Wiener Linien für SmartPhones.
Das sind die Fakten. Der Rest ist jetzt Spekulation, die mir aber plausibel erscheint:
Google benötigt die Fahrplandaten in einem speziellen Format. Dieses ist nicht direkt kompatibel mit dem Fahrplandatenformat, dass in Österreich allgemein Verwendung findet. Anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2006 in Österreich erhielten die ÖBB wohl den politischen Auftrag, die Daten im nötigen Format an Google zu liefern. Meine Erfahrungen bis 2009 zeigten, dass diese Daten offensichtlich keine Live-Daten waren. Während die ÖBB-eigene Anwendung Scotty Zugverspätungen oder kurzfristige Streckensperrungen berücksichtigte, führte Google Maps teilweise direkt in die Falle. Ich vermute, dass die ÖBB einfach die Fahrplandaten konvertiert und einmalig an Google geliefert haben, wodurch selbst wochenlange Baustellen auf Strecken nicht berücksichtigt wurden.
Nun kann man argumentieren, dass statische Daten immer noch besser sind als gar keine Daten. Doch diese Vorgehensweise hat für Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel Nachteile. Fahrgäste, die von Verspätungen, Streckensperrungen oder Umleitungen betroffen sind, werden verärgert sein. Sie werden die Schuld daran nicht Google, sondern dem Betreiber des Verkehrsmittels geben, selbst wenn dieser wochenlang vorher über die ihm zur Verfügung stehenden Informationskanäle angekündigt werden.
Liefert man Google jedoch die Daten live, so verliert man die Kontrolle darüber, welche Routen geplant werden. Die Abfragedaten der Kunden sind jedoch für die Verkehrsbetriebe sehr wertvoll, können sie doch bei der Planung von Fahrgastströmen sinnvolle Informationen liefern. Google erwartet die Informationen offensichtlich in einem Format, dass eine Rückverfolgung der Anfragen für die Verkehrsbetriebe nicht ermöglicht. Im Gegensatz dazu nutzen die vorher erwähnten Anwendungen die vorhandenen Schnittstellen. Werden darüber Anfragen gesendet, so bekommen die Verkehrsbetriebe die gleichen Daten wie wenn der Kunde die normalerweise dafür vorgesehenen Webseiten nutzt.
Es handelt sich also weniger um eine Frage von OpenData, also ob mit Steuergeld finanzierte Daten öffentlich zugänglich sein sollen, sondern vielmehr um eine Machtfrage: Wollen wir Nutzungsdaten unterer öffentlichen Verkehrsmittel in die Hand eines amerikanischen Konzerns geben, der damit letztlich wiederum Geld verdient? Wenn Google wirklich einen nützlichen Dienst anbieten wollte, dann hätte der Konzern ganz offensichtlich die Möglichkeit, die offiziellen Schnittstellen zu verwenden.
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